Umbau Garbenspeicher - Identität bewahren
Umbau Garbenspeicher - Identität bewahren
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EINREICHUNG Nr. 258
Die Walliser Garbenspeicher prägen das regionale Dorf- und Landschaftsbild. Ursprünglich zur Getreidelagerung genutzt, gliedern sich die Bauten in zwei, vertikal voneinander losgelöste Gebäudeteile. Getrennt und zugleich verbunden sind sie durch kurze, gedrungene Stützeln, die mit Schieferplatten abgedeckt sind. Zwischen den Stützeln erstreckt sich ein schattiger Zwischenraum, der den Durchblick gewährt.

Beim sorgfälltigen Umbau eines Garbenspeichers in eine Wohnnutzung, wurde dieser identitätsstiftenden Bautypologie eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Der Sockel wurde unterfangen und ein Zwischengeschoss eingeführt. Darin befindet sich neu eine Wohnküche, welche rundherum verglast und dunkel gefärbt ist. Dadurch wird die Fuge zwischen Blockbau und Sockel weiterhin als transparenter, schattiger Raum wahrgenommen. Die Stützel wurde ersetzt, wodurch der Stadel statisch auf Erdbeben ertüchtigt werden konnte. Weitere Elemente nehmen Bezug auf die traditionelle Nutzung und Bauweise.
Texte Davos Kriterien (Selbstevaluation)
Gouvernanz
Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Geschichte, der regionalen Baukultur und der örtlichen Identitäten prägen den Umbau. Den identitätsstiftenden Bauteilen wurde volle Aufmerksamkeit gewidmet und in Neuinterpretationen aufgegriffen. So erinnert das hölzerne Geländer an die Aufhängevorrichtungen zur Trocknung der Garben und der neue Rasa Pietra an eine kaum mehr vorkommende regionale Tradition der Verputztechnik. All dies verortet das Gebäude und schafft eine hohe Form der Akzeptanz.
Funktionalität
Traditionell sind Garbenspeicher vertikal aufeinander geschichtete Baukörper ohne vertikale Verbindungen. Mit dem Umbau konnte die identitätsstiftende Stützel in einer Neuinterpretation erhalten bleiben, als auch gleichzeitig mit demselben Bauteil, die Erdbebenertüchtigung erbracht werden. Ein vertikaler Stahlträger wurde von oben in die Stützel eingelassen und kraftschlüssig mit dem Blockbau verschraubt. Die Kräfte werden über die betonierte Wandkrone und Verankerungen in den Sockel geleitet.
Umwelt
Beim Umbau wurde auf die Verwendung regionaler, möglichst unbehandelter Werkstoffe geachtet. Der hölzerne Ausbau ist Holz-in-Holz errichtet, wobei auch beim Dämmmaterial Holzwolle verwendet wurde.
Wirtschaft
Durch die Weiterverwendung des Bestandes, der Umnutzung eines unternutzten Gebäudes in eine Wohnnutzung und dem damit verbundenen Erhalt der Liegenschaft, konnte ein Mehrwert für den Bauträger, den Ort und nicht zuletzt für Baukultur geschaffen werden.
Gleichzeitig konnten wir den Bauträger dazu sensibilisieren, den Bestand nicht zu überstrapazieren, in dem wir ihn Schrittweise an die Qualitäten des Bestandes herangeführt und das ursprünglich sehr umfangreiche Raumprogramm reduzieren konnten.
Vielfalt
Die Vielfalt liegt in der Wiederverwendung des bereits Vorhandenen, im Aufgreifen von Tradition bei gleichzeitiger Interpretation. Die sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Bestand und die subtile, zurückhaltende Intervention, respektiert die lokale Baukultur und ehrt sie zugleich. Alt und Neu unterstützen sich gegenseitig. Es entsteht eine neue Vielfalt innerhalb einer bereits vorhanden, starken Gebäudetypologie.
Kontext
Touristisch stark genutzt Orte leiden oftmals unter mangelnder Baukultur. Umso wichtiger sind subtile, rücksichtsvolle Interventionen im historischen Bestand.
Der umgebaute Garbenspeicher ist Teil einer Stadelgruppe, welche unterschiedliche Prägungen ausweisen. Allen gemein, ist die Dreiteiligkeit bestehend aus Blockbau, Stützeln mit transparentem, schattigen Zwischenraum und steinernem Sockelbau.
Genius Loci
Der unverwechselbare Charakter des Bestandes weist bereits alle identitätsstiftenden Merkmale auf. Diese galt es zu erkennen und mit zurückhaltenden, sensiblen Interventionen zu stärken. Der Umbau tritt in der äusseren Erscheinung in den Hintergrund, der Altbau rückt hervor, Bautradition und geschichtliche Bezüge werden hervorgehoben. Einzig das Zwischengeschoss - wenn auch wesentlich in seiner Ausformulierung - zeugt von der Intervention. Alt und Neu ergänzen sich und verorten das Gebäude.
Schönheit
Die Schönheit liegt in der Komposition des Zusammenkommens, im Fügen der Dinge, im Zusammenspiel von Identität, Material, Proportion und dem damit verbundenen Respekt gegenüber dem Vorhanden. Dies bei gleichzeitiger Interpretation und Überführung zu etwas Neuem. Der Umbau beruht auf Herleitungen und dem Aufgreifen und Interpretieren des Bestandes. Er schält die Essenzen und Identitäten hervor, ohne zu imitieren oder zu verfälschen und ist gleichzeitig eine subtile Interpretation des Vorhandenen.
Eigenschaften
Ort
Saas-Fee
Baukategorie (SIA 102)
Wohnen
Art der Aufgabe
Umbau
Art des Verfahrens
Direktauftrag
Baukosten in CHF (SIA 416)
910`000.-
Geschossfläche in m² (SIA 416)
116 m2
Planung
2018 → 2022
Fertigstellung
2021 → 2022
Inbetriebnahme
2022
Projektbeteiligte